Erfahrungsberichte

Zunächst einmal war es die Idee meiner Frau - ich weise also sämtliche Vorwürfe zurück, selbst auf diese Schnapsidee gekommen zu sein.

 

Nach ein paar Trainingsrunden, Stunden auf dem Laufband und unzähligen Schritten in der freien Natur fühlten wir uns fit genug um uns der Herausforderung stellen zu können (Vorbereitung ca. 3 Monate).

 

Die Rucksäcke wurden gepackt. Im Nachhinein viel zu viel Inhalt. In meinen Augen hätte ein 10L Rucksack bei positivem Wetterbericht gereicht. Regenjacke, Pullover und Wechselsachen wurden nicht benötigt. Stattdessen Deo (die anderen Ultras werden euch danken).

 

Wichtig: gerade bei heißen Temperaturen braucht ihr viel Wasser - zweimal reichte die 2L Blase nicht bis zum nächsten VPS. Das eingepackt Essen haben wir nahezu komplett wieder mitgebracht. Wenn ihr euch genug von den VPS mitnehmt reicht das komplett aus.

 

Die Tasse war ebenfalls überflüssig - Tee und Kaffee waren aufgrund der Temperatur weniger gefragt als Kaltgetränke. Suppe oder andere warme Speisen gab es leider nicht.

 

Die Ausrüstung: spart nicht an der Stirnlampe und einem 2.Satz Batterien (mind. 300Lm). Gerade im Wald kann man teilweise gar nichts in der Dunkelheit erkennen. Handy inkl. KOMOOT APP und Powerbanks sind obligatorisch. Das Medikit sollte eine Nadel oder Kanüle und viele, viele Blasenpflaster enthalten. Mückenschutz war ein willkommener Luxus, ebenso wie Feuchttücher. Wer viel schwitzt, und das werdet ihr, sollte ein kleines Handtuch mitnehmen. Ihr seht - eine sehr überschaubare Packliste.

 

Zum Marsch: die ersten 30km waren ok. Bis Kilometer 50 lag unser Durchschnittstempo bei 6,3km/h. Ab Kilometer 60 ging der Kampf gegen Schmerzen und Blasen los. Außerdem zählt man rückwärts - nur noch 40km. Ich habe mir nur eine Blase gelaufen, die meiner Frau kann man nicht zählen... Der Lauf wurde nun zur Kopfsache. Eine Frage des Willens, dem körperlichen Schmerz und Schrei nach Abbruch nicht nachzugeben. Ab Kilometer 80 fing ich an die verbleibenden Stunden zu errechnen. 5km pro Stunde, also noch 4 Stunden. Das brachte jedoch null Motivation, nachdem mein Körper schon vor gut 3std genug hatte. Also dachte ich an die 20km Trainingsläufe und daran, wie schnell sie vorüber waren... das funktionierte... mit abnehmender Kilometerzahl stellte ich mir die Strecke in mir bekannten Touren vor... es half!

 

Die letzten Kilometer zogen sich wie Kaugummi. Die ganze Zeit haben wir der 9,9 Kilometermarke entgegen gefiebert. Als wir sie erreichten, kamen wir zu dem Schluss - nun noch 2 Stunden... Ein Motivationskiller! Auf der anderen Seite half es wieder schneller zu werden. Irgendwann, nach den besagten 19 Stunden, war es geschafft - Gott sei Dank oder besser dem Willen sei Dank!

 

Letzter Tipp: Haltet die Pausen kurz (max. 5min). Je eher ihr im Ziel seit desto eher enden die Schmerzen!

 


Was erwartet dich auf einem 100km+ Lauf?

(die ersten 20km+)

 

Eine interessante Frage, die sicherlich jeder Läufer anders beantworten wird.

 

Zunächst einmal kommt es darauf an, ob du alleine, mit deiner Partnerin (Partner) oder in einer Gruppe läufst. Wenn du alleine läufst wirst du sehr schnell mit vielen Läufern ins Gespräch kommen. 100km und viele gemeinsame Stunden verbinden, so dass sich hier nicht selten dauerhafte Freundschaften bilden. In einer Gruppe oder als Pärchen ist man eher aufeinander fixiert – doch auch das ist nicht schlecht. Es festigt das Verhältnis untereinander.

 

Wir laufen als Pärchen, daher möchte ich diese Sichtweise schildern. 

 

Wenn die Entscheidung erst einmal gefallen ist beginnt das Training. Du zählst deine Schritte, machst viele Trainingsläufe und fieberst dem ULTRA entgegen. 

 

Dann, irgendwann und ganz überraschend ist es soweit. Du hast dir dein „Marschgepäck“ schon am Vortag zurechtgelegt. 

 

Übrigens: Wenn es dein erster ULTRA ist, kann ich dir versprechen – es ist viel zu viel (s. Packliste).

 

Du verstaust alles in deinem Rucksack, kontrollierst dein Ticket und los geht´s. Die Fahrt zum Start ist geprägt von Vorfreude, Aufregung, Euphorie und Respekt vor der gigantischen Distanz.

 

Die Stimmung im Startbereich ist unbeschreiblich. Alle scharren mit den Füssen, machen noch ein paar Fotos und wollen nun endlich auf die Strecke… Je nach Größe des Events gibt es mehrere Startgruppen. 

 

Musik und Animation heizen die Stimmung an und dann ist es endlich soweit… die ersten Schritte von insgesamt 130.000 – 150.000 sind gemacht. Jetzt bewegst du dich noch im „Herdenmodus“, doch schon bald lichtet sich das Feld. Nun bilden sich erste, kleiner Grüppchen und Laufpartner finden sich. Erste Gespräche entwickeln sich. 

 

Nach den ersten 10km fühlst du dich topfit. Keine Probleme! Du trinkst regelmäßig und greifst schon das eine oder andere Mal zu den Snacks, Broten oder was auch immer in deinem Rucksack ist. Du machst Selfies und Videos – die Welt soll teilhaben. Die Stimmung ist ausgelassen. So geht es weiter bis zum ersten Versorgungspunkt. 

 

Dort eingetroffen bist du erleichtert und glücklich. Du freust dich die erste Etappe geschafft zu haben. Die Helfer machen einen tollen Job auch ist die Verpflegung top. Als erstes solltest Du die Toi aufsuchen bevor du dort Schlange stehen musst.

 

Einige Läufer sitzen schon ohne Schuhe da und checken Ihre Füße. Wenn du jetzt schon Blasen hast wirst du es schwer haben. In jedem Fall wirst Du viele Blasenpflaster und einen ULTRA starken Willen brauchen…. 

 

Die Wiederholungstäter achten darauf die Füße trocken zu halten und wechseln ggf. die Socken. Feuchte Füße begünstigen die Blasenbildung. Außerdem wirst Du feststellen, dass Einsteiger wesentlich mehr Zeit am Versorgungspunkt verbringen als Profis…

 

Also, schnell noch auf die Wasserblase auffüllen und dann weiter…


(Kilometer 20 – 40)

 

Nach ca. 3,5 Stunden solltest Du den ersten Versorgungspunkt erreicht haben. Du warst überwältigt von der Vielfalt des Angebots und hast hier mehr Zeit verbracht, als du eigentlich wolltest.

 

Du fühlst Dich wohl unter den Gleichgesinnten und würdest gerne noch etwas bleiben. Auf der anderen Seite bist du zügig gewandert. Du hast viele eingeholt, die vor dir los liefen. Nun treffen sie nach und nach ebenfalls ein. Vielleicht geht es dir ja wie uns und du willst es nicht nur schaffen, sondern auch noch unter den vorgegebenen Stunden. Unser Ziel waren 18 Stunden für 100km.

 

Also los, auf zur nächsten Etappe.

 

Du checkst deine Ausrüstung, die Zeit und ja, auch immer wieder die Anzahl der schon zurückgelegten Schritte (das machst du eigentlich permanent). Vor dem ersten 100km Lauf fragten wir uns wie viele es denn wohl werden würden. Du kannst , je nach Körpergröße, von 130.000 bis 150.000 ausgehen. Wow, das heißt du hast noch ganz schön etwas vor dir. Automatisch steigerst du das Tempo ein wenig.

Wir hatten zu viel gegessen, eine Art Apfelkuchen lag uns schwer im Magen. Egal, etwas trinken und die Landschaft genießen. Nun ging es endlich raus aus der Stadt, zwar immer noch über eine asphaltierte Straße, aber immerhin umgeben von Wäldern und Feldern. Keine Autos, nur hin und wieder ein Fahrrad.

 

Zu diesem Zeitpunkt stimmt tatsächlich alles. Du bist gerade mal „warm-gelaufen“, hast keine Schmerzen und genießt jeden Augenblick in der Gruppe oder an der Seite deiner Partnerin, bzw. deines Partners.

 

Du stellst fest, dass du die Stadt, in der du seit Jahren lebst, eigentlich gar nicht kennst. Die Landschaft wird immer schöner. Du wanderst über einen Steg durch ein Sumpfgebiet. Es ist fast wie im Dschungel. Langsam senkt sich die Sonne, doch für ein bis zwei Stunden bleibt es sicherlich noch hell. Du bist einst mit der Landschaft und überglücklich dich für das Richtige entschieden zu haben, nämlich zu wandern.

 

Dein Durchschnitts-Tempo liegt weiterhin gut oberhalb der 6km/h (6,3 -6,5) und du näherst dich zügig dem 2. Versorgungspunkt.

Es dämmert und nach und nach versinkt die Sonne am Horizont. Du erreichst den zweiten Versorgungspunkt und triffst auf einige bekannte Gesichter. Wieder bist du überwältigt von der großen Auswahl. Die Stimmung ist großartig und dennoch pflegen immer mehr Läufer Ihre Füße.

Vielleicht hast auch du nun schon die ein paar Blasen. Hier kommen die Blasenpflaster zum Einsatz. Bitte pack genügende ein – falls du sie nicht brauchst, kannst du andere damit glücklich machen und hee, wir Läufer sollten zusammenhalten.

 

Spätestens jetzt solltest du einmal die Socken wechseln. Deine Füße schwitzen in den Schuhen und Feuchtigkeit ist nicht gut. Ich empfehle übrigens doppelwandige Kompressionssocken (oder Strümpfe), da reibt der Stoff aneinander und nicht die Haut am Stoff (sie sind aber dennoch keine Garantie zur Blasenvermeidung). Also kurz trockenlegen und die Wunden versorgen.

 

Die meisten Veranstalter empfehlen ein Taschenmesser mitzunehmen – das erscheint mir zu brachial. Eine Kanüle aus der Apotheke eignet sich definitiv besser und ein bisschen Desinfektionsmittel schadet ebenfalls nicht.

 

So langsam merkst du den Marsch auch in den Beinen und Knochen. 40 Kilometer sind kein Pappenstiel und nun bist du auch schon über 8 Stunden unterwegs zzgl. der Zeit die evtl. mit den Öffentlichen zum Start gebraucht hast.

 

Alles andere wie gehabt – einmal auf die Toilette, Wasserblase auffüllen und weiter geht´s….        


(Kilometer 40 – 60)

 

Du stehst auf. Die ersten 15 Meter fühlen sich nicht gut an, doch es wird schnell besser. Dieses Mal war die Pause kürzer und du bist weiterhin motiviert.

 

Die Stimmung ist gut und du bist  überzeugt, dass du es schaffen kannst. Dennoch beginnst du langsam zu erahnen, dass es hart wird.

 

Versorgungspunkte geben immer wieder Auftrieb und schaffen eine gewisse Euphorie. Von dieser Stimmung getragen wanderst du die nächsten Kilometer.

 

Es geht über kleine Rad- und Wanderwegen raus aus dem urbanen Umfeld hinein in den Wald. Zwischenzeitlich wichen die letzten Sonnenstrahlen der Dunkelheit.

 

Du bringst deine Stirnlampe in Position. Die kleinste Abwechslung tut gut. Du freust dich auf das Abenteuer „Dunkelheit“.

 

Wechsel der Perspektive (eigene Erfahrung) Die erste Krise

 

Bei Kilometer ca. 48 merkte ich, wie mir langsam schlecht wurde. Übergeben oder ausruhen? Ich musste mich kurz setzen und zurücklehnen. Irgendwo im Nirgendwo… mitten im Wald in totaler Dunkelheit. 

 

Aus diesem Grund solltest du immer in Gruppen, von mindestens 2 Personen laufen. Ich hatte zu wenig gegessen… es fehlte definitiv an Energie. 

 

Meine Frau kümmerte sich rührend… Nach 2 Bananen, einem viel zu süßen Müsliriegel und 0,5 Liter Wasser konnte ich nach erst ca. 20 Minuten weiterlaufen. 

 

Ich stellte fest, dass es tatsächlich an Unterversorgung lag, denn es ging mir zwischenzeitlich wieder viel besser. 

 

Nach weiteren 5 Kilometern war ich wieder richtig fit und erst jetzt fiel das Schreckgespenst der möglichen Aufgabe von mir ab. Hatte wieder keinen Zweifel daran, dass ich es nicht nur schaffen kann sondern auch in einer respektablen Zeit. 

 

Im Nachhinein fragte ich mich, wie das überhaupt passieren konnte.

 

Die Antwort war ganz einfach. Der Kuchen und das Unwohlsein vom ersten Versorgungspunkt führte dazu, dass ich am Zweiten nur einen oder zwei Müsliriegel gegessen hatte – definitiv zu wenig. Nach 40km lässt außerdem das Hungergefühl nach, sodass du dich zum Essen zwingen solltest. Dasselbe gilt natürlich ebenfalls für die Flüssigkeitszufuhr – hiermit hatte ich weniger Problem. Alle 1-2 Kilometer mal ein paar Schlucke aus dem Schlauch und sich gegenseitig daran erinnern. 

 

(Ende des Perspektivwechsels) 

 

Kilometer 55, Du fieberst dem nächsten Versorgungspunkt entgegen. Mit jedem Kilometer wächst wieder deine Motivation und dennoch ziehen sie sich wie Kaugummi. Tatsächlich hast du auch schon lange kein Schild mehr gesehen. Ein Blick auf’s Handy verrät dir, dass du dich auf Kurs befindest. Du läufst nun auf einem Radweg, schnurgerade entlang einer Landstraße. 

 

Viele Läufer, du triffst immer wieder mal einen – wenn auch viel seltener, als noch zu Beginn, kämpfen nun intensiv mit Blasen

 

Auch dein Partner-/in. 

 

Der letzte Kilometer vor dem Versorgungspunkt führt dich über grobes Kopfsteinpflaster. Die reinste Tortur für gequälte und geschundene Füße. 

 

Doch dann kannst du ihn sehen... Ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung. Du strahlst ebenso wie dein Laufpartner-/in.

Zuerst geht es zu den Bierbänken und – tischen.  Du entledigst dich deines Rucksacks und setzt dich erstmal. Dann, nach ein paar Minuten „rufen“ die Bananen, Powerriegeln, Keksen uvm. 

 

Du willst nicht nochmal den selben Fehler machen und so greifst du wieder beherzt zu. 

Viele um dich herum liegen nun auf dem Boden, die Füße hochgelagert auf den Bierbänken. Einige massieren sich die Beine. Fast alle versorgen ihre Blasen. 

 

Zum vielleicht ersten Mal ziehst du nun deine Schuhe und Strümpfe aus. Oh Gott, kein schöner Anblick. Du fragst dich, wie du damit noch 40km laufen sollst. 

 

Ja, du hast Schmerzen und bedienst dich fleißig den eigens dafür eingepackten Pflastern in der Hoffnung auf Linderung. 

 

Du siehst in gequälte Gesichter, siehst Schmerz, Zweifel aber auch immer wieder den eisernen Willen durchhalten zu wollen. 

 

Die Stimmung hat sich gewandelt. Die anhaltende Ausgelassenheit und lustigen Sprüche vom Anfang sind nicht mehr allgegenwärtig und nur noch vereinzelnd wahrzunehmen. 

 

Ein Läufer berichtet dir die ersten 40km waren ein Spaß, nun beginnt der Kampf. 

Eigentlich wolltest du keine lange Pause, aber nach 63 Kilometern tust du dich schwer einfach weiter zu laufen… 

 

… doch du bist ein Kämpfer!

 

Wasserblase füllen, noch mal auf die Toilette und die Bananen einpacken… 

 


(Kilometer 60-80)

 

Du wünscht dir, dich nie hingesetzt zu haben. Doch du willst, ja du musst weiter. 

 

Die ersten Meter sind schlimmer denn je. Du spürst deine Oberschenkel und die Kniegelenke, doch das mit Abstand Schlimmste sind deine Füße. Wer dir bei den ersten Schritten zuschaut würde definitiv gegen dich wetten. 

 

Wechsel der Perspektive (eigene Erfahrung)

 

Die zweite Krise

 

Diesmal hatte nicht ich die Probleme, sondern meine Frau. Ihre Blasen waren unerträglich. Wir entfernten uns keine 500 Meter vom 3 VSP, bevor Sie sich setzen und erneut ihre Füße inspizieren musste. Sie wollte für ein paar Kilometer die Schuhe wechseln und es mit den Flip-Flops versuchen (bei starken Schmerzen greift man gerne zu jedem Strohhalm). Natürlich wurde die Idee nach den ersten 2 Schritten schmerzhaft verworfen.

 

Nun hieß es wieder, Schuhe anziehen! Diese Tortur ließ mich mitleiden. Ich bot ihr an aufzugeben…  Keine Chance – das Gegenteil war der Fall. Sie biss die Zähne zusammen und stand auf. Unglaublich, nach ca. 15min. Unterbrechung lief sie zunächst wie auf Eiern weiter, aber sie lief weiter. 

 

Ein weiter Kilometer später schaffte sie es wohl tatsächlich den Schmerz auszublenden und normalen Schrittes auf den stark geschundenen Füßen weiter zu laufen. Dem 4. VSP entgegen. 

 

(Ende des Perspektivwechsels) 

 

Du findest zurück zu deinem Tempo.

 

Es sollte nun nur noch 2 Stunden dunkel bleiben, bevor die Dämmerung einsetzt. Der Weg führt dich nun wieder in den Wald, allerdings leider auch über asphaltierte Straßen. 

 

Bereits ab Kilometer 50 hast Du begonnen nicht mehr die bereits zurückgelegten, sondern nur noch die verbleibenden Kilometer zu zählen. Nur noch 35 Kilometer – eigentlich eine überschaubare Strecke – wenn da nur nicht schon die letzten 65km in den Knochen stecken würden.

 

Egal, es dämmert und wird langsam hell. Die Abwechslung gibt Auftrieb und der neue Morgen bringt dich deinem Ziel näher. Die Nacht ist vorbei – geschafft! 

 

Du siehst, nachdem Du den Wald verlassen hast, einen „Streckenposten“ neben seinem Auto stehen. Seine Glückwünsche, zu deiner bisherigen Leistung, motivieren dich zusätzlich. Du blendest, so gut es geht, alle Schmerzen aus. Nachdem du auf den letzten Kilometern durch die Nacht recht schweigsam warst erwachen zum frühen Morgen wieder deine Lebensgeister. Du unterhältst dich, bist stolz auf dich und ihr sprecht euch gegenseitig Mut zu.

 

Die Gespräche drehen sich nur um ein Thema… wie weit du schon gekommen bist, wie weit es noch ist und wann der nächste VSP wohl erreicht sein wird.

 

Zwischendurch der Blick auf deinen Schrittzähler. Vielleicht hast du ja einen Wettkampf auf Fitbit gestartet – diesen hast du schon jetzt sicher gewonnen. All das hilft dir immer wieder einen Fuß vor den Anderen zu setzen… 

 

Dein Körper ist müde doch du bist wieder im Trott… alles läuft und du kannst dich tatsächlich am morgendlichen Sonnenaufgang erfreuen.

 

Die Strecke führt über einen Uferweg entlang des Wassers. Du hältst inne und genießt den Augenblick. Für einen kurzen Moment scheint die Welt still zu stehen. (Es sind diese Momente, die einen Lauf von einem Marsch unterscheiden… einfach stehen bleiben und genießen).

 

Die nächsten 7km bis zu VSP verlaufen ruhig. Die Schmerzen sind ausgeblendet (ja, das funktioniert tatsächlich) und die Rest-Kilometer schrumpfen immer weiter zusammen.

 

Dann ist es endlich soweit. Du kannst ihn wieder sehen… den Versorgungspunkt. 

 

Diesmal im Biergarten eines Restaurants… inkl. Einer „richtigen“ Toilette – ein Traum! 

 

Du genießt die Pause und bedienst dich abermals am reichhaltigen Angebot. Diesmal gibt es sogar Gewürzgurken… dafür bist du also 80km gelaufen ;-)

 

Deine Schuhe behältst du an. 

 


(Kilometer 80 – 100)

 

Was geht in dir vor nach 80 gewanderten Kilometern?

 

Das Körperliche ist eindeutig. Du bist fertig! Alles in dir sagt dir:“es reicht“! Die Muskeln in den Oberschenkeln sind heiß und brennen. Manche, um dich herum, benutzten „Ice Power“ und schwören hierauf. 

 

Mit Krämpfen hast du nicht zu kämpfen, da du bereits in der letzten Woche ausreichend Magnesium zu dir genommen hast. Auch während des Marschs hast du etwas „nachgeworfen“ (ob dies sinnvoll ist, bleibt dahin gestellt – in jedem Fall schadet es nicht).

 

Die Füße sind ein besonderes Thema. Viele Läufer kämpfen schon seit etlichen Kilometern mit Blasen und verarzten diese spätestens an den jeweiligen VSP. Auch an dieser Stelle möchte ich nochmals darauf hinweisen die Füße trocken zu halten um Blasen vorzubeugen.

 

Wenn deine Blasen, wie bei meiner Frau, bereits ab Kilometer 60 extrem waren, solltest du dir überlegen ob du die Schuhe wirklich nochmal ausziehen willst… sie tat es nicht!

 

Neben deinem körperlichen Befinden ist da jedoch auch noch das geistige und emotionale Empfinden. Du hast bereits 80km hinter dir, d.h. nur noch 20km bis zum Ziel. 20 Kilometer, dass ist doch keine Strecke mehr (geht es durch deinen Kopf). Außerdem siehst du in die erschöpften, aber auch glücklichen Gesichter der anderen Läufern. Ja, da sind viele Endorphine in deiner Blutbahn. Endorphine wirken schmerzlindernd und sie werden landläufig, nicht von ungefähr, als Glückshormone bezeichnet. 

 

Lange Rede kurzer Sinn, der Körper wird vom Geist besiegt…

 

Du stehst auf und hoffst auf weiche, sohlen-schonende, Waldwege. Eine leichte Steigung führt dich jedoch zunächst wieder durch Wohngebiete. Tatsächlich keine schöne, aber wohl notwendige Strecke zum nächsten Wald. 

 

Was soll ich sagen, es gibt immer 2 Seiten. Auf Straßen läuft man zwar hart, dafür aber schneller. Landschaftlich nicht schön, dafür abwechslungsreich. So könnte man bestimmt noch weitere Pros und Contras finden. 

 

Leider folgten nun noch einige Kilometer auf unebenen gepflasterten Straßen. Hier spürst du jede Blase doppelt so stark. Doch auch dieser Streckenabschnitt hat ein Ende. Du erreichst wieder den Waldesrand. Zunächst noch kurz über eine Brücke und dann liegen die nächsten 15km vor dir. 

 

Die ersten 1-2 Kilometer sind schön (eine Wohltat wäre wohl stark übertrieben). Es ist komisch, aber du genießt tatsächlich, wenn auch nur für kurze Augenblicke, die Natur. 

 

Doch früher oder Später ist der Endorphinschub abgeklungen. Die Erschöpfung und die Schmerzpräsenz kehren zurück. Du musst dich kurz hinsetzen… nur 2 Minuten ausruhen… 

 

Hinter dir ist niemand zu sehen (du bist immer noch ehrgeizig). Also eine kurze Pause mit deinem Laufpartner-/in abstimmen. 

Du kannst nicht einmal sagen, ob es dir gut tut. Du fühlst eine innere Unruhe, trotz körperlicher Erschöpfung. Du willst endlich „fertig“ werden. 

 

Ok, weiter geht’s. Das Aufstehen schmerzt genauso wie die ersten Schritte, bevor du wieder im Trott bist. Geteiltes Leid ist halbes Leid – ihr klagt euch eure Schmerzen und versucht euch gleichzeitig wieder zu motivieren. 

 

Bald wird es 1-stellig, d.h. unter 10 Rest-Kilometer. Wie lange hast du nun schon darauf gewartet? 

 

Nach gut 16,5 - 17Std. hast du die 90km überschritten. Zunächst Freude pur! Leider fehlen seit etlichen Kilometern die motivierenden Schilder mit der Angabe der Rest-Kilometer, aber du hast ja deine Fitbit (oder ähnliches). 

 

Nun fängst du an zu rechnen… 10km bei 5km pro Stunde (du bist langsamer geworden), das bedeutet noch gut 2 Std. marschieren. Der totale Motivationskiller!!! 

 

Du versuchst diesen Gedanken schnell wieder zu vertreiben indem du dir deine Trainingsläufe ins Gedächtnis rufst. Strecken von (lächerlichen) 10km und wie leicht sie dir fielen. Du denkst auch zurück an den Start deines Marsch bis zum ersten Versorgungspunkt… alles easy. 

 

Diese „Bild“ hilft dir! Ihr sprecht darüber und erneut könnt ihr euch wieder motivieren. Ja, Motivation ist alles!

 

Dennoch die letzten Kilometer sind das Schlimmste – der Waldweg geht schnurgerade… null Abwechslung, bis zum Horizont (ja, das ist übertrieben, aber es kommt dir so vor). 

 

Doch alles hat ein Ende, du weißt es und dann siehst du es auch. 

 

Rechts abbiegen, über die Brücke und schon bist du wieder im urbanen Umfeld. 

 

Du willst einfach nur noch ankommen und hast gehofft, nach dem endlosen Wald kommt das Ziel. Leider sind es noch 3 Kilometer und auch diese ziehen sich. 

 

Wie soll man es beschreiben? Hättest du von Anfang an 120km eingeplant würden dir die nächsten 3 Kilometer vermutlich leichter fallen, aber nun, so kurz vor dem Ziel, fühlst du eine unglaubliche Erschöpfung. Die Hoffnung auf das Ziel ist permanent gegenwärtig und wird dennoch mit jedem Abbiegen in eine andere Straße enttäuscht. Dein Gemütszustand ist entsprechend. Vielleicht murmelst du nun leise Flüche vor dich hin. Mit nachlassender Aufmerksamkeit und fehlender Ausschilderung läufst du nun auch noch Umwege. Die Stimmung ist nahe dem Nullpunkt und du fragst dich leise, nach links blickend: Wessen Idee war das eigentlich?

 

Wie gesagt, alles hat ein Ende und so auch die Tortur der 100km+. 

 

Endlich siehst du das Ziel. Die Stimmung steigt von 0 auf 100. Nur noch wenige Meter trennen dich vom so lange ersehnten Zielbogen. 

 

Dann plötzlich wirst du aus der Trance gerissen. Dein Partner-/in will ins Ziel LAUFEN! 

 

Was macht man nicht alles…  Also, die letzten Kräfte mobilisieren und los geht’s. 

 

Händchen haltend und mit einem gequältem Lächeln posierst du für das Finisher-Foto. WOW - WAHNSINN - GESCHAFFT !!! Eine M..., ups nein, eine Ultra-Leistung!

 

Stolz lässt du dich vom Veranstalter-Team feiern. Holst dir deine Urkunde, Medaille und vor allen Dingen, das Finisher-Bier. 

 

Geschafft und glücklich sitzt ihr an den Biertischen, beobachtet den Zieleinlauf vieler bekannter Gesichter… einfach nur schön. Da ist es wieder, das Glückshormon! Genau für diesen Momente hast du die letzten 19 Stunden gelitten (zumindest ab Kilometer 50).

 

Doch das Schlimmste sollte jedoch noch kommen - der Heimweg mit den Öffentlichen. Hiervon ist dringend abzuraten!

 

Weder Körper noch Geist sind nun noch auf deiner Seite. 

 

Mit kleinen Trippelschritten schleichst du dich Meter um Meter zur Bahn oder Bus – Quälerei pur!


(Ziel und die Tage danach)

 

Du hast es tatsächlich geschafft! 100km – zu Fuß und das Ganze in 19 Stunden. Das Gefühl ist wirklich unbeschreiblich. Da sind sie wieder – die Endorphine! Glück pur, du fühlst dich leicht, genießt die Zeit im Zielbereich, bist zufrieden mit dir selbst und mit den Anderen. Ja, sie haben Recht, wenn sie dir sagen:„Glückwunsch, was für eine Leistung“!

 

Am Biertisch feiert ihr euch noch eine Zeit lang gegenseitig, bevor du nach und nach zur Ruhe kommst. Der Heimweg ruft.

Hast du die Schuhe ausgezogen? Spätestens jetzt weißt du, dass das vielleicht nicht die beste Idee war. Die 100km fordern ihren Tribut. So ziemlich alles tut dir weh, allen voran sind es jedoch definitiv die Füße. Du wünschtest, du könntest dich nach Hause beamen.

 

(ANMERKUNG VON ULTRAMARSCH: Aufgrund dieser Erfahrung favorisieren wir Rundkurse.)

 

Zu Hause angekommen, willst du nur raus aus den Klamotten und rein ins Bett. Leider liegen hier noch einige Stufen vor dir…

Also beschließt du dich einfach erstmal auf der Terrasse bzw. im Garten auszuruhen. 2-3 Stunden später wachst du auf. Der Schlaf tat gut, doch das Aufstehen fällt dir deswegen nicht leichter. Egal, Zähne zusammen beißen und auf ins Schafzimmer… leise Flüche begleiten dich.


Da ist es endlich – dein Bett. Es ist ca. 16:00 Uhr. Dein letzter Gedanke gilt der Arbeit in wenigen Stunden… denn Morgen ist Montag!


(Anmerkung: wenn es dein erster 100km oder mehr Lauf wird solltest du es vermeiden am Folgetag arbeiten gehen zu müssen)


Nun trennen sich die Berichte, je nachdem ob du dir heftige Blasen gelaufen hast oder eben nicht…

 

Wenn du große und viele Blasen hast und den Schmerz mind. 60km ignoriert hast, d.h. dein Geist den Körper besiegen konnte. Dann könnte es wie folgt weitergehen… (worst case) 

 

Du wachst am Morgen nach einer unruhigen Nacht erschlagen auf. Du spürst deine Füße, deine Knie und Oberschenkel. Ja, selbst im Rücken hast du Muskelkater. Nach einer ganzen Weile willst du aufstehen… du setzt den rechten Fuß neben das Bett. Ein schmerzhafter Fehler. Sofort überdenkst du deine Entscheidung und beschließt erstmal liegen zu bleiben. Dabei inspizierst du deine Füße… 

 

(ANMERKUNG VON ULTRAMARSCH: Weiterlesen nur mit Vollendung des 18ten Lebensjahres) 

 

Was du nun siehst ist alles andere als schön. Einige Blasen haben sich mit Wasser gefüllt. Bei anderen, die schon beim Lauf geplatzt sind, siehst du lose Hautfetzen. Der eine oder andere Zehennagel hat eine dunklere Farbe angenommen.


In diesem Zustand fällt die Idee arbeiten zu „gehen“ definitiv aus. Selbst wenn du einen Büro Job hast und mit dem Auto hinfahren kannst… es geht schlicht nicht.

 

Du meldest dich bei deinem Arbeitgeber und beantragst eine Woche Urlaub. Im besten Falle bekommst du ihn genehmigt und kannst dich erholen.

 

Nun reift ein vollkommen abwegiger Gedanke in dir. Du nutzt nämlich die Zeit auf der Couch und liest die Berichte „deines“ Marsches. Du findest dich in der hall of fame und ja, du hast es geschafft. All die Schmerzen waren es doch wert! Du bist Mega, Ultra, ein Mammut oder was auch immer… egal, du bist fantastisch!

 

Eine gewaltige Leistung. Doch du willst mehr… du bist wieder „angefixt“. Du stöberst bei deinem Veranstalter und findest schon wieder das nächste Event. Du bist verrückt, denn du meldest dich wieder an! 

 

Die nächsten Tage verbringst du auf der Couch. Operierst immer wieder an deinen Füßen. Die Nagelschere, Salbe und Verbände begleiten dich über die nächsten Tage. Ab dem 3.Tag wird es langsam besser. Du verlierst jedoch den einen oder anderen Zehennagel (keine Sorge – im Nagelbett wächst er wieder nach).

 

Nach einer Woche kannst du wieder zur Arbeit. Du genießt die Gratulation deiner Kollegen, die dich jedoch ungläubig anschauen, als du ihnen von deinen Zukunftspläne erzählst…

 

Wenn du keine oder erst ab km 90 eine Blasen bekommen hast. Dann könnte es wie folgt weitergehen… (better case) 

 

Du wachst am nächsten Morgen auf. Fast alles unterhalb der Gürtellinie schmerzt. Das Aufstehen fällt dir schwer. In der Blase unter dem linken Fuß hat sich Wasser gebildet. Wie auf Eiern findest du das Badezimmer. Mit einer Nadel, Kanüle, Nagelschere oder ähnlichem "glättest" du die Blase. 

 

Die Schmerzen in den Beinen sind erträglich, dennoch bewegst du die wie in Zeitlupe und nun verstehst du endlich auch den Sinn deines Treppengeländer. 

 

Du machst dich auf ins Büro. Steigst in dein Auto oder auf dein Motorrad und bist glücklich, dass du dich damals für einen Büro Job entschieden hast.  Zum ersten Mal, seit einer Ewigkeit vermeidest du die 3 Etagen zu laufen und entscheidest dich ganz bewusst für den Fahrstuhl - ja, du hast ihn dir verdient. 

 

Mit einem Kaffee in der Hand genießt du die Gespräche mit deinen "neugierigen" Kollegen. Doch auch die weniger wissbegierigen bekommen deine Geschichten zu hören. Selbst die Erinnerung bringt erneute Endorphine ins Blut. WOW, war das geil! 

 

Und da ist er, der Moment an dem du beschließt dich zum nächsten Marsch anzumelden. 

 

In den nächsten Tagen macht sich dein linkes Kniegelenk bemerkbar. Die Dauerbelastung fordert ihren Tribut. Insgesamt 4-5 Woche dauerte es, bis der "Normalzustand" wieder hergestellt ist. Das Knie ist wieder in Ordnung und du hast einen neuen Zehennagel.

 

Ach ja, es soll auch Menschen geben, die einen Marsch nach dem Anderen laufen ohne die geringsten Problem...

 

Fazit

 

Glückwunsch, du hast alles richtig gemacht! 100 und mehr Kilometer zu marschieren ist eine wahnsinnige Erfahrung. Die Schmerzen verwandeln sich im Nachhinein in etwas Positives. Sie geben dem Ganzen einen gewissen Glanz etwas Heroisches. 

 

Dein Geist hat über deinen Körper gesiegt! 

 

Du bist glücklich und dieses Gefühl hält sehr lange an. Auf jeden Fall bis zum nächsten Marsch…

 

Wir freuen uns auf dich

dein Ultramarsch-Team